Tabula rasa statt Brauchtumspflege
Nifty's - Naftularasa
"Nifty", das war der Spitzname von Naftule Brandwein, des wohl besten Klesmerklarinettisten aller Zeiten, der übrigens keine einzige Note lesen konnte. "Nifty" stammte aus Galizien und wanderte...
... schon 1908 nach Amerika aus, um dort zum "King of Klezmer" aufzusteigen.
Nach "Nafty" Brandwein benannt ist auch die Band "Nifty's" aus Österreich. Ihr aktuelles Album heißt "Naftualarasa". Ein Wortspiel, das schon ahnen lässt, dass es hier nicht um staubige Schtettl-Romantik oder musikalische Brauchtumspflege geht, sondern um Tabularasa im besten Sinne des Wortes. Schon bei den ersten Tönen der insgesamt acht Songs wird klar:
Hier geht der Punk ab!
Mit Klesmer, der alten Musik der Jidden, hat diese Musik nur noch rudimentär zu tun. Lediglich ein paar Melodiefragmente sind übrig geblieben. Vielmehr wechseln die Songs zwischen Hard-Core, Polka und Surf-Rock hin und her. Kein Wunder, dass auch der Improvisation freier Lauf gelassen wird. Das Spiel des Quintetts basiert auf fundiertem Können, den sich die Musiker vor allem in den Gefilden des Jazz erworben haben. Neben dem Band-Leader Fabian Pollack (Gitarre) taucht mit Michael Bruckner noch ein weiterer Gitarrist auf. Daneben spielen Thomas Berghammer (Trompete), Dominik Grünbühel (Bass) und Mathias Koch (Schlagzeug).
Zwei der Musiker (die beiden Gitarristen Fabian Pollack und Michael Bruckner) sind auch Teil des Trios "Zur Wachauerin", das sich der Interpretation von Ernst Schandl, dem Haus- und Hofkomponisten der Wachau widmet, einem Landstrich an der Donau in Niederösterreich. Die aktuelle CD heißt "in meina wöd", zu deutsch "In meiner Welt". Um musikalische Brauchtumspflege, wen wundert's, geht es auch hier nicht.
Fabian Pollacks jüdische Großmutter stammt aus Galizien. Die Familie kam über Hamburg nach Wien. In seiner Familie habe das Judentum keine Rolle gespielt, sagt Pollack. So erstaunt es nicht, dass Pollack erst sehr spät zum Klesmer kam, denn im elterlichen Haushalt habe es lediglich zwei Klesmer-Platten gegeben ("Nifty" Brandwein war übrigens nicht dabei). Da er als ausgebildeter Gitarrist im Jazz nie wirklich heimisch geworden sei, habe er den Klesmer für sich als passende Ausdrucksform entdeckt.
AVIVA-Tipp: Man staunt nicht schlecht über die Musik von "Nifty's", die man eher dem Umkreis der jüdischen New Yorker Downtown-Avantgarde zuordnen würde oder, um hiesige Bands auf hohem Niveau zu nennen, mit Daniel Kahns "Painted Bird" oder auch Paul Brodys "Sadawi" vergleichen könnte. Fabian Pollack erklärt, seine Band habe regelmäßig Probleme damit, dass die Musik so schwer einzuordnen ist. Dem Band-Namen nach Klesmer, ist den meisten TraditionalistInnen dieser Stoff zu "heavy". Probleme mit der Einordnung dieser Musik gab es auch schon zu Gründungszeiten vor rund zehn Jahren. Da hieß die Band noch "Nifty's Chuzpe". "Aber dann", scherzt Pollack, "hat sich ein Bandmitglied verabschiedet - und mit ihm auch die
Chuzpe".
(
Jonathan Scheiner, Jüdische Allgemeine zum Deutschlandrelease von Naftularasa 2011)
Nifty's - Naftularasa
2006 erhielten sie den Newcomer World-Music-Preis, ihr Debütalbum "Takeshi Express" (2007) wurde von der Hörerschaft und Kritikern in höchsten Tönen gelobt, ihre Konzerte lösen beim Publikum stets Begeisterungsstürme aus. Nifty's, das sind Fabian Pollack und Michael Bruckner an den Gitarren, Thomas Berghammer an der Trompete, Dominik Grünbühel am Bass und Mathias Koch am Schlagzeug. Der Bandname verweist auf die Klezmer-Legende Naftule "Nifty" Brandwein (1889-1963), der den Kletzmer in den USA bekannt machte. Auch der Titel des Albums "Naftularasa" bezieht sich auf diesen Herren. Man macht also jetzt Naftularasa. Gut, das heißt wohl: alles ist möglich. Die Musik der Nifty's auf den Begriff Klezmer oder New KLezmer zu reduzieren wäre ohnehin viel zu eng gegriffen. Tatsächlich machen die fünf Männer der Bedeutung des Begriffs "nifty" alle Ehre: elegant, geschickt und nicht zuletzt raffiniert.
Ein Aspekt der Raffinesse der Band ist ihre Unkalkulierbarkeit. Hier stellt sich nicht die Frage: "Was mag die nächste Nummer wohl bringen?", sondern vielmehr: "Wohin geht's im nächsten Takt?" Bei allem Ernst, der nötig ist, um diese musikalische Herausforderung so bravourös zu meistern, ist die logische Konsequenz dieses skurrilen Ansatzes eine gewisse Portion an Humor, der in der Musik wie auch in so manchen Tracktitel Ausdruck findet, etwa "Bratratte" oder "Octopussycat". Der Hörer wird jedenfalls ganz schön rangenommen.
Achtung, die Nifty's schlagen Haken! Doch genug der Worte. Geben Sie sich doch selbst dem Wahnsinn hin!
(
Jörg Weitlaner, Concerto Nr. 6, Naftularasa Release 2009)
Nifty's - takeshi express
"Eine Quelle gibt Fabian Pollack zur Betitelung seiner akutellen musikalischen Herzensangelegenheit an: den galizischen Klarinettisten Naftule Brandwein, genannt Nifty, der in den 1920er Jahren den Klezmer in den USA berühmt und sich ansonsten einen Ruf als Unterweltler und Frauenheld machte. Nicht genannt wird der Begriff nifty, der einiges über die so junge wie eindrucksvolle Band aussagt und mit elegant, hübsch und/oder virtuos zu übersetzen wäre. Tatsächlich besticht die Eleganz, aber auch die enorme Heiterkeit dieser auf Traditionen aufbauenden virtuellen jüdischen Musik, die man höchsten alten Füchsen zutraute, aber nicht dieser jugendlichen Combo, in der auch Pollacks brpobr-Kollege Michael Bruckner mitwirkt und die als einzigen Routinier den so temperamentvollen wie wandlungsfähigen Trompeter Thomas Berghammer aufweist.
Von Zeit zu Zeit mixen die Nifty's den
Klezmer mit ein paar Balkan-Sounds, einmal ("fun tashlach") taucht sogar ein astreiner
Reggae-Rhythmus auf - und bei der CD-Live-Präsentation im Wiener B 72 trug Fabians Bruder Florian Pollack als Sänger sein Schärflein zur ansteckenden Unterhaltsamkeit bei. Von Beginn an legt der Takeshi Express ein ziemlich zügiges Tempo vor, an einer Stelle aber nicht - in meinem persönlichen Favoriten, dem zweiten von vier Teilen des "nifty's texas massacre". Und im abschließenden "wie bist du gewesen vor prohibition" leuchtet noch einmal das ganze Spektrum dieser gefühlswarmen Klezmer-Kapelle und ihres geglückten Debüts auf - das eigentlich auf Tzadik gehörte. Uneingeschränkte Empfehlung!"
(
Andreas Fellinger, Freistil Mai 2007)
"Diese instrumentalen Bastarde tollen wie junge Hunde durch den Äther, ehe sie sich wieder ihrer Wurzeln besinnen und heim ins jüdische Körbchen kriechen. Ab und an gibt's auch brachiale Liebesgrüße a la John Zorn und überhaupt atmet das ganze Album viel von der Offenheit und Experimentierfreudigkeit der New Yorker Musikszene. - Ein Beispiel dafür ist beispielsweise die "Sirba from Gutenbrunn", in der besagt weltoffene Töne um eine sicher-solide heimische Basslinie wirbeln. Einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Spannung auf dem Album trugen die beiden Gitarristen Fabian Pollak und Michael Bruckner mit ihrem exzellenten Spiel bei."
(
Thomas Divis, OneWorldMusic März 2007)